Betreff: Begriffsdefinition: Inklusion oder Integration

Liebes Team von BSJ,

bitte klärt mich auf, wie Ihr die Begriffe Inklusion und Integration verwendet und was gemeint ist?

Wenn Inklusion – also der Unterricht von Kindern mit einer Kondition, die sie nicht verändern können, die allerdings Akkomodierungen, Modifizierungen und Adaptierungen erfordert, damit sie am Schulunterricht teilnehmen können (was ein Menschenrecht ist) – gemeint ist, dann MUSS das auch so genannt werden.

Dafür wurde die deutsche Übersetzung der UNBRK ausdrücklich korrigiert, damit Inklusion verankert ist.

Einige Beamte in der Bildungsdirektion Wien verwenden Integration und behaupten, Inklusion zu meinen. Ein Flugzeug, wie wir alle wissen, ist kein LKW, obwohl beide transportieren.

Ich finde in einigen Eurer Publikationen ebenfalls den Begriff “Integration” und finde mein Kind mit Down Syndrom dann nicht mitgemeint. Was Kinder mit einer sog. intellektuellen Beeinträchtigung brauchen, ist INKLUSION. Integration von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache, mit anderer Religion, etc. schafft Wien bereits ziemlich gut.

Auf Inklusion warten wir noch.

Ich freue mich auf Antwort.

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Liebe Maggie!

Da sprichst du einen Punkt an, der auch in unseren Diskussionen immer wieder aufgetaucht ist und ein Dilemma darstellt.

Kurz gesagt: Inklusion im Sinn von Schule für alle Kinder mit bestmöglicher Förderung für alle Kinder ist das, wo wir hin wollen. Integration ist das was besteht. Die Entwicklung der schulischen Integration geht zur Zeit nicht in Richtung Inklusion und auch Integration ist nicht für alle Realität, weil nicht genug Integrationsklassen eröffnet werden. Die Schulen, die Integration anbieten haben auch nur einen sehr geringen Spielraum, Bedingungen zu schaffen, dass sie Kinder, unabhängig von der Höhe ihres Betreuungsbedarfes aufnehmen können. Das Sonderschulsystem besteht nach wie vor und wird sogar noch ausgebaut.

Längere Fassung:

In der öffentlichen Wahrnehmung meint Integration meist Teilhabe von Kindern mit anderen Erstsprachen als Deutsch.

Im Schulsystem meint er aber Teilhabe von Kindern mit Behinderungen in Regelschulen/-klassen. Diese Klassen heißen in Schulgesetzen und Verordnungen seit ihrer Einführung im Jahr 1993 Integrationsklassen.Im Alltagssprachgebrauch im Schulsystem wird von Integrationskindern gesprochen. Gemeint sind Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf (Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule oder Lehrplan für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf) oder mit anderem offiziellen Förderbedarf (Kinder mit Sprachbehinderung, Körperbehinderung, Sinnesbehinderung, Autismus Spektrum, die nach dem Lehrplan der Volksschule unterrichtet werden), die Klassen in Volks- oder Mittelschulen besuchen.

Bei Einführung der Integrationsklassen vor fast 30 Jahren, war es ein Riesenfortschritt, dass Behinderung nicht automatisch den Besuch einer Sonderschule bedeuten muss.

Integrationsklasse bedeutet organisatorisch, dass Kinder mit SPF und ohne SPF der gleichen Klasse zugeordnet sind. Im Schulsystem hat sich seit der Einführung der Integrationsklassen 1993 nichts am offiziellen Status und den Rahmenbedingungen der Kinder mit Behinderungen innerhalb einer Integrationsklasse geändert (außer dass die Klassen jetzt größer sind und die Ressourcen pro Kind tendenziell weniger werden).

Die Kinder werden nach verschiedenen Lehrplänen unterrichtet (Lehrplan der Volks- oder Mittelschule, Lehrplan einer Sonderschule) und zwar von einer RegelschulpädagogIn und einer SonderpädagogIn gemeinsam. Der jeweilige Lehrplan wird auch im Zeugnis so vermerkt. Innerhalb eines von Grund auf auf Selektion ausgelegten Schulsystems mit einem Beurteilungssystem, das nicht darauf ausgerichtet ist, den persönlichen Lernfortschritt abzubilden, sondern die Kinder über einen Kamm schert.

Der Begriff Inklusion meint unserem Verständnis nach eine Weiterentwicklung der Integration. Im Sinn von weniger Aussonderung, wo es nicht die „normalen“ Kinder gibt und die „besonderen“, die andere Lehrpläne und andere Förderung, andere PädagogInnen brauchen. Und davon ist das österreichische Schulsystem leider meilenweit entfernt und entfernt sich immer mehr. (siehe auch: https://www.schulgschichtn.com/inklusive-schule-system-neu-aufsetzen-bitte/)

Abgesehen davon, existiert auch die (berechtigte) Angst vieler PädagogInnen, dass Inklusion mit verdeckten Einsparungen verbunden ist. Also in große Regelklassen noch mehr Kinder mit viel Unterstützungsbedarf gesetzt werden, ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Was wir auf jeden Fall wollen ist, dass alle Kinder, egal mit welchen Voraussetzungen in der Schule Bedingungen vorfinden, dass sich sich gut und gleichberechtigt weiterentwickeln können.
Wer das jetzt wie nennen mag, ist für uns im Sinne der Kinder eigentlich zweitrangig.