Mehrstufenklasse mit Integration

Was sind iMSK?

Mehrstufenklassen mit Integration oder integrative Mehrstufenklassen (iMSK) sind Mehrstufenklassen, in denen Kinder mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam unterrichtet werden. Sie sind ein Beispiel für funktionierende, gelebte Vielfalt, Integration und Diversität in Wien. Alle Kinder profitieren voneinander und lernen gemeinsam in einem fordernden und fördernden Rahmen. Statt dieses Unterrichtsmodell zu zerstören, wäre es wünschenswert, es flächendeckend in Wien umzusetzen.

In MSK werden Kinder aus 4 – 5 Schulstufen gemeinsam unterrichtet.

Solche Klassen gibt es an Volksschulen und auch an Mittelschulen.

Es wird in einem Lehrer*innenteam unterrichtet. Bisher waren das eine Volksschul- und eine Sonderpädagog*in wie in jeder anderen Integrationsklasse auch und zusätzlich eine Teamlehrer*in für 10 – 14 Stunden. Diese ist notwendig, um qualitativ hochwertigen Unterricht für 4 – 5 Schulstufen für eine sehr heterogene Klasse anbieten zu können. Mit dem im Juni 2021 neu eingeführten Vergabesystem wurden die Stunden für die Teamlehrer*in gestrichen. In Mehrstufenklassen ohne Integration blieben sie bestehen.

Das löste massive Proteste von Eltern und Lehrer*innen unzähliger Schulen aus.

Das Schuljahr 2021/22 stellte Schulen mit bestehenden integrativen Mehrstufenklassen vor riesige Herausforderungen. An vielen Schulen wurden verschiedene Szenarien durchgedacht, ob die iMSKs ohne garantierte Teamlehrer*innenstunden aufrecht erhalten werden könnten oder ob es zur Auflösung dieser Klassen kommen muss. Durch die nach den Protesten zusätzlich zur Verfügung gestellten Stunden schafften es einige Schulen, die Klassen weiterzuführen. Andere wurden aufgelöst oder es wurde beschlossen, sie auslaufen zu lassen.

Nach einem Jahr kontinuierlicher Arbeit wurden für das Schuljahr 22/23 für alle integrativen Mehrstufenklassen in Wien 10 Teamstunden zugesagt – allerdings dezidiert befristet für 1 Schuljahr. Hier braucht es dringend eine langfristige Zusage!!!

Eine iMSK hatte bisher (wie auch eine Regel-Integrationsklasse) 19 – 21 Kinder, da Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf doppelt oder dreifach (je nach Grad der Behinderung und der damit einhergehenden größeren Herausforderung für den Klassenverband) gezählt wurden.

Die Schulform der Mehrstufenklasse mit Integration ist Vorbild, wie Inklusion wirklich gelebt werden kann.

Was ist das Besondere an iMSK?

Entwicklungsunterschiede von Integrationskindern werden in Integrations-MSK durch die Mehrstufigkeit ausgeglichen

In Integrations-Regelklassen wird ab der 3./4. Klasse der Unterschied mitunter so groß, dass sich „Integrationskinder“ oftmals zurückziehen und mehr ein Nebeneinander, statt eines Miteinanders stattfindet. 

Die Mehrstufenklasse baut auf der Tatsache auf, dass alle Kinder auf unterschiedlichen Lernniveaus lernen. Jedes Kind lernt möglichst in seiner Geschwindigkeit dort weiter, wo es gerade steht. Somit kommt es nicht dazu, dass nur die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf andere Lerninhalte und somit eine Sonderstellung haben.  

In Jahrgangsklassen mit Integration geht die „Schere“ von der 1. bis zur 4. Klasse Volksschule immer weiter auf, meist funktioniert es im ersten Jahr noch gut mit viel gemeinsamem Spielen, dann jedoch entfernen sich die Kinder mit und ohne Beeinträchtigung durch die sehr unterschiedlichen Entwicklungsstufen immer weiter voneinander. In der Mehrstufenklasse gibt es durch jüngere Kinder immer wieder die Möglichkeit für Kinder mit langsamerer Entwicklung Spielpartner*innen mit ähnlichen Interessen zu finden.
Es gibt außerdem immer wieder Anschlussmöglichkeiten im Lernstoff und somit die Möglichkeit in einer kleinen Gruppe mit Kindern ohne Beeinträchtigung zu lernen. Zum Beispiel werden jedes Jahr Buchstaben erarbeitet – ein Kind, das erst nach der ersten Klasse lesen lernt, kann hier unabhängig von seinem Alter mitmachen.

Konstanz: Klassenwiederholungen, „Umstufungen“, Überspringen einer Klasse sind im selben Klassenverband möglich

In der Mehrstufenklasse ist Heterogenität der Lerngruppe gewollt. Jedes Kind kann möglichst in seinem Tempo lernen. Braucht ein Kind länger um die Lernziele der jeweiligen Schulform zu erreichen, oder ist es schneller, kann es im Klassenverband verbleiben.
Klassenwiederholungen oder das Überspringen einer Schulstufe ist nicht mit einem Klassenwechsel verbunden. Das ist ein großer Vorteil für die Kinder. Wird bei einem Kind ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt, ist kein Klassen- oder gar Schulwechsel nötig.

Gegenseitige Verantwortung und Begegnung auf Augenhöhe

]In der Mehrstufenklasse kommen immer wieder neue Kinder dazu. Das ermöglicht es allen Kindern, egal ob mit oder ohne Behinderung Verantwortung für Jüngere zu übernehmen, etwa als Buddy, weil auch sie sich im Schulhaus auskennen, wissen wo der Turnsaal, das WC ist, wie Abläufe sind. Jedes Kind schlüpft jedes Jahr in unterschiedliche Rollen. Alle älteren Kinder werden so zu wichtigen Auskunftspersonen für Jüngere. Das bereitet auf eine diverse, vielfältige Welt vor, in der sich Personen auf Augenhöhe begegnen und jeder Mensch wertvoll ist und die Erfahrung macht, einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten. Das ist gelebte Diversität und Inklusion, wie sie in vielmehr Schulen in Wien als good practice gelebt werden sollte.

Auch Eltern lernen Integration

Wenige Menschen haben in ihrem Umfeld mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu tun. Immer noch gibt es Hemmungen und Vorurteile im Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Kinder und damit auch Ihre Eltern verlieren durch das gemeinsame Lernen in der Schule von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung ihre Scheu und ihre Hemmungen vor Menschen mit Behinderungen. 

Was hat sich getan seit Juni 2021?

Durch unsere sehr intensive Arbeit seit Juni 2021 konnten wir erreichen, dass für bestehende integrative Mehrstufenklassen für das Schuljahr 2022/23 wieder die dafür unbedingt notwendigen Teamstunden zur Verfügung gestellt werden.
Soweit wir wissen, werden diese von der Stadt Wien finanziert. Das wurde aber dezidiert nur für ein Schuljahr zugesagt.

Für alle Kinder, Eltern und Lehrer*innen dieser Klassen, als auch die zuständigen Schulleitungen bedeutet dies weiterhin Unsicherheit und Zittern um das Bestehen dieser derzeit inklusivsten Form der Beschulung im öffentlichen Schulsystem.

Und für uns als Initiative Bessere Schule jetzt bedeutet das: dranbleiben und weiterarbeiten – es braucht eine dauerhafte, nachhaltige Lösung und ein echtes politisches Bekenntnis zu den integrativen Mehrstufenklassen!
Die schon seit Jahren bestehende Unsicherheit durch wiederkehrende Teamstundenreduktionen bringt Lehrer*innenteams und Schulleitungen zum Aufgeben und löst bei Eltern und Kindern große Verunsicherung aus.

Abgesehen davon bedeutet die zwingend höhere Schüler*innenzahl für integrative Mehrstufenklassen wie auch für alle anderen Integrationsregelklassen einen enormen Qualitätsverlust. Auch eine Zunahme der Anzahl der Kinder mit Förderbedarf pro Klasse ist zu beobachten.
Handelt es sich um eine verschränkte Ganztagsschule kommen auch in diesem Bereich personelle Reduktionen dazu.
Im Februar 2023 haben wir einen offenen Brief zur Situation der integrativen Mehrstufenklassen an Bürgermeister, Bildungsstadtrat und Bildungsdirektion geschrieben. Dieser wurde vom Österreichischen Behindertenrat und Integration Wien unterstützt.

Der offene Brief und die Antwort der Bildungsdirektion darauf ist hier nachzulesen.

Was die „Transparenzverteilungen“ bewirken:

  • Sollte es keine langfristige Zusage für Teamstunden für Mehrstufenklassen mit Integration geben, werden diese aufgelöst oder in MSK ohne Integration umgewandelt. Am schwersten betroffen davon sind Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, obwohl bei den Sonderpädagog*innen nicht eingespart werden. Wir wissen von Schulstandorten, wo dies bereits geschieht.

Warum braucht es die Teamstunden in der iMSK?

  • Werden die Teamstunden in iMSKs komplett auf 0 gekürzt, so ist eine Klassenlehrer*in damit allein für 4-5 Schulstufen zuständig. Die Sonderpädagog*in kann die Teamlehrerin nicht ersetzen. Das würde auf Kosten der Kinder mit Behinderung gehen. So kann qualitätsvoller Unterricht nicht ablaufen.
  • Damit die Klassenlehrende 4-5 Jahrgänge abdecken kann, braucht sie eine Teamlehrende. Das heißt, es kann keine MSK mit Integration mehr geben. Die Integrationskinder bleiben „auf der Strecke“. Durch das neue Basiskontingent wird der Klassenverband bei iMSK größer (25 Kinder statt bisher 21 Kinder), da Integrationskinder ab sofort nicht mehr „doppelt“ gezählt werden können. Für viele Kinder mit Behinderungen sind 25 Kinder ein zu großer Klassenverband. Dadurch bleibt diesen nur noch der Weg in die „Sonderschule”.